Fair-bindlichkeit - Vom Banden bilden und neuen Perspektiven

Susan Reznik studiert Multimedia Production und stand u.a. für das Junge Theater Basel sowie für das Wildwuchs-Festival als Schauspielerin auf der Bühne. Sie schreibt am liebsten über die kleinen, aber auch grossen Dinge des Alltags. Was dabei zu den Grossen und was zu den Kleinen Dingen zählt ist stets Perspektive. Susan kannte FAIRSPEC bisher nicht und war eingeladen, den Blog für die erste Veranstaltung des zweiten FAIRSPEC-Jahrs zu schreiben. Mit klarem Blick für das Wesentliche und kurzweilig formuliert blickt sie auf Fairness und Verbindlichkeit.

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“Das war schon immer so.” Und “Das haben wir immer schon so gemacht.” Sind ziemlich unzureichende Argumente, die in ihrer Rhetorik einer Obsoleszenz gleichen. “Das war schon immer so” und “Das haben wir immer schon so gemacht”, ist auch ein Satz, der in der Welt des Theaters zu oft fällt und das Hinterfragen von Arbeits-, sowie Machtstrukturen im Keim ersticken lässt. Klar, das Theater ist ein alter Kuchen, dessen Teig man schon in der Antike angefangen hatte zu kneten. Dennoch ist etwas, das schon immer so war, nicht automatisch gut. Da irgendwer mal beschlossen hatte, dass Leidenschaft auch Leiden schafft, haben irgendwie alle irgendwann einem ungeschriebenen Gesetz stumm zugestimmt und es hingenommen, dass in der Kunst- und Theaterszene der Arbeitsrahmen und die Arbeitsbedingungen nicht immer ganz so genau genommen werden. Schliesslich vergiesst man ja gerne Schweiss und Blut für sein Schaffen. Das wird dann auch schon an den Schauspielschulen und Kunstakademien gelehrt. Und weil eben etwas schon immer so war, wird gerade in künstlerischen Prozessen Überarbeitung, über Grenzen gehen und Ausschöpfung bis zur Erschöpfung absurderweise Weise fast schon zelebriert. 

Eingerostete Machtstrukturen und nicht sauber abgesteckte Rahmenbedingungen und Arbeitsgesetze führen irgendwann zum Missbrauch dieser Macht und zu Diskriminierung. Das Theater, das paradoxerweise für die progressive Avantgarde zu stehen scheint, ist gleichzeitig von archaischen Strukturen durchzogen. Und weil irgendwann doch Traditionen hinterfragt werden, da die Aussage des Status Quo einfach nicht ausreicht, werden Banden gebildet, um neue Rechte und Gesetze einzufordern. Das ist die Geschichte von Gewerkschaften in einem Satz. So wird es auch Zeit, dass die Bastion des Theater-Palastes umgewälzt wird und sich das Theater nicht nur inhaltlich mit progressiven Werken, sondern auch mit fairen Arbeitsbedingungen rühmen darf.

Deshalb wurde FAIRSPEC ins Leben gerufen. Damit ein Sensibilisierung-Prozess in Gang kommt und ein Kodex für die helvetische Kulturwelt verbindlich wird. 

An der sechsten Fairspec-Veranstaltung gab es digitalen Besuch der Initiative Fairstage aus Berlin. In einem gemeinsamen Zoom-Panel waren Interessierte dazu eingeladen, die Entstehung und Arbeitsweise der Initiative Fairstage kennenzulernen. Im Unterschied zur grassroots-Bewegung FAIRSPEC wurde die Initiative Fairstage von der Politik in Auftrag gegeben. Entstanden im Frühjahr 2021, sind die Hauptziele von Fairstage: Das Schaffen von diskriminierungsfreien und fairen Arbeitsbedingungen in den öffentlich geförderten Theaterbetrieben der Sparte Sprechtheater der freien und staatlichen Theaterszene Berlins. Die Initiative soll neue Arbeitsverhältnisse schaffen. Sie setzt sich für den Schutz vor Diskriminierung und Ausbeutung sowie gegen verhärtete Machtstrukturen ein. 

Die Ausgangslage und die Zäsur zur Veränderung kam mit der Me-Too-Debatte. Als immer mehr Kulturschaffende sich an die Öffentlichkeit trauten, um über Missstände in Kultureinrichtungen zu berichten. Welche auf strukturelle Problematiken zurückzuführen sind. In Berlin, wichtiger Dreh- und Angelpunkt der deutschen Theaterwelt, nahm die Politik Geld in die Hand und gab der Initiative “Fairstage” den Auftrag, einen Massnahmenkatalog zu erstellen. Innerhalb von nur einem halben Jahr, damit er pünktlich zu den Wahlen im September 2021 fertig sei, wurde dieser unter Einbezug von verschiedenen Perspektiven von freischaffende Schauspieler:innen, Intendant:innen und Kultur-Abgeordneten erstellt. Die Formulierungen sollten so konkret sein, dass sie schwarz auf weiss in den Koalitionsvertrag übernommen werden könnten. Tatsächlich fanden Teile daraus Eingang in den Koalitionsvertrag.

Etwas, das auch Fairspec erreichen möchte. So, dass eben faire Bedingungen und Schutz vor Diskriminierung, Ausbeutung und Machtmissbraucht verbindlich und Fairbindlich seinen Platz in der Theaterwelt bekommen.

Denn etwas war vielleicht schon immer so, kann aber irgendwann auch durch etwas Besseres ersetzt werden. 

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FAIRSPEC Kodex in Institutionen